Ursachen für Einkommensexplosionen im Rahmen der Vertriebsvergütung
Unvorhergesehene Einkommensexplosionen können in einer unbedacht gemachten Vertriebsvergütung aus verschiedenen Gründen auftreten. Eine unerwartet starke Nachfrage oder überraschende Großaufträge („lucky punch“) könnten dazu führen, dass Vertriebsmitarbeitende deutlich mehr verdienen als erwartet (die Entwicklung hat die Planung/die Ziele weit übertroffen).
Unbeabsichtigte Einkommensexplosionen in der Vertriebsvergütung können aber noch ganz andere Gründe haben: Solche Einkommensentwicklungen haben ihre Ursache dann darin, dass eine gute Unternehmenskonjunktur einhergeht mit einem veralteten System der Vertriebsvergütung.
In diesen Fällen hängt die Vertriebsvergütung in aller Regel am Umsatz der Mitarbeitenden, in seltenen Fällen am Deckungsbeitrag. Vergütet werden meist traditionelle Provisionen. Explodieren nun Umsatz oder Deckungsbeitrag (auch ohne allzu großes Zutun des Vertriebsmitarbeitenden), explodieren damit auch die Provisionen. Dies wird seitens der Unternehmen verständlicherweise als unbefriedigend empfunden.
Diese Entwicklungen sind nicht ganz so unproblematisch, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Zahlreiche Unternehmen sehen solche ungewollten Explosionen der Vertriebsvergütung als Problem und suchen nach alternativen Vergütungslösungen.
Was passiert bei ausufernden Provisionen eigentlich?
- Durch eine explodierende Vertriebsvergütung geraten die cost of sales aus den Fugen
- Das Einkommensgefüge im Unternehmen gerät durch die explodierende Vertriebsvergütung, die meist im Außendienst erfolgt, durcheinander: Wie lassen sich außergewöhnlich gestiegene Provisionen im Außendienst gegenüber den Mitarbeitenden im Innendienst rechtfertigen, die ebenfalls qualifizierte Vertriebsarbeit leisten, die aber nicht über eine Vertriebsvergütung verfügen und deren Festgehälter eventuell nur in überschaubarem Maß gestiegen sind?
- Hinzu kommen zwei arbeitsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit der Höhe der variablen Vertriebsvergütung: Arbeitsgerichte sind heute der Auffassung, dass die variable Vertriebsvergütung 30% vom Gesamteinkommen der Mitarbeitenden nicht übersteigen sollte. Dies wird damit begründet, dass die Mitarbeitenden über berechenbare und verlässliche Gesamteinkommen (= Fixum und variabler Teil) verfügen müssen. Liegt der variable Einkommensanteil aber über 30%, ist aus Sicht der Arbeitsgerichte diese Verlässlichkeit nicht mehr vorhanden.
- Außerdem besteht die reelle Gefahr, dass eine variable Vertriebsvergütung, die z.B. bei 60% oder mehr des Gesamteinkommens liegt, den fest angestellten Außendienstmitarbeitenden dazu berechtigt, einen Ausgleichsanspruch gemäß Handelsvertreterrecht (§89b HGB) geltend zu machen. Dies kann wie folgt begründet werden: Wenn der fest angestellte Mitarbeitende über seine Vertriebsvergütung ähnlich vergütet wird wie ein Handelsvertreter, dann ist auch ein Ausgleichsanspruch in greifbarer Nähe – und das kann teuer werden, bis hin zu einer Jahresprovision bei Ausscheiden des Mitarbeitenden!
Wie lässt sich eine ungewollte Explosion der variablen Vertriebsvergütung vermeiden – ohne die Motivation zu verringern?
Die Lösung besteht in der Abkehr von Provisionen und in der Hinwendung auf moderne, zielorientierte Systeme der Vertriebsvergütung. Die Mitarbeitenden werden z.B. in 3 bis 5 Ziele eingebunden, die genau das benennen, was zukünftig bewegt werden soll. Dabei werden erwartete Marktentwicklungen eingepreist.
Die moderne Vertriebsvergütung findet dabei nur innerhalb eines engen Leistungskorridors statt, der sich im Dunstkreis der Ziele bewegt (siehe oben Punkt 4). Innerhalb dieses Korridors verläuft die Kurve der variablen Vertriebsvergütung extrem steil. Dies beinhaltet einen hohen Anreiz für außergewöhnliche Leistungen.
Die Ziele der Mitarbeitenden werden dabei aber jährlich neu festgelegt, und zwar im Rahmen des möglichen Markt- und Umsatzwachstums. Dies bewirkt, dass in der kurzfristigen Jahresbetrachtung ein Maximum an Motivation aufrechterhalten wird, ohne dass sich dabei die variable Vertriebsvergütung in unbeabsichtigte Höhen aufschwingen könnte.
Außerdem können folgende Maßnahmen gegen ungewollt explodierende Vertriebsvergütungen helfen:
- Maßvolle variable Anteile (möglichst nicht mehr als 30% des Gesamteinkommens)
- Kappung der Zielprämienkurve bei einem Leistungsgrad, der nach menschlichem Ermessen nicht überschritten werden kann (es sei denn durch Zufälligkeiten)
- Einmalige Zufallsaufträge, die zu einer Explosion der Vertriebsvergütung führen würden (den lucky punch) aus der regulären Vertriebsvergütung herausnehmen und extra vergüten (z.B. mit einer Anerkennungsprämie). So würde die reguläre Vertriebsvergütung intakt bleiben und nicht an ihre Grenzen geführt.